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Tesla Semi

4:45 Uhr. Der Wecker klingelt. Die Müdigkeit ist dem Mann ins Gesicht geschrieben, als er noch mit halb geschlossenen Augen die Beine aus dem Bett warf. Nach einem Röhren der Kaffeemaschine wird ein Macbook aufgeklappt und das fahle Licht des Bildschirms fällt auf die Haut der davor sitzenden Person. Während der heisse Kaffee eine wohlduftende und angenehme Atmosphäre schafft, huschen die Finger des Mannes über die flache Tastatur. Nur Augenblicke später öffnet sich ein Livestream einer Webseite und das Logo von Tesla erscheint auf dem schwarzen Hintergrund.

Wenn du jetzt denkst, dass ich um diese Zeit aufgestanden bin, um mir die Enthüllung eines Lastkraftwagen anzusehen… Nein, bin ich nicht. Ich bin mir jedoch sicher, dass die oben beschriebene Szene irgendwo in Europa stattgefunden haben muss.

Um ehrlich zu sein, habe ich es mir tatsächlich einen kurzen Moment überlegt, aufzustehen und das lang erwartete Event von Tesla live zu verfolgen. Da sich der Event im Endeffekt jedoch (lediglich) um ein Sattelkraftfahrzeug handeln sollte, habe ich mich dagegen entschieden. Vor ein paar Monaten, am 29. Juli 2017, bin ich früh morgens aufgestanden, um das „Delivery Event“ des Tesla Model 3 mitzuverfolgen. Da ich die Entwicklungen rund um das preiswerte(re) Mittelklasse-Fahrzeug Model 3, bereits seit 1.5 Jahren sehr nah verfolge, war das für mich ein unheimlich spannender Anlass den ich auf keinen Fall verpassen wollte.

Hätte ich im Vorfeld gewusst, dass „one more thing“ (von Elon Musk bereits vor Monaten via Twitter versprochen) in diesem Kontext bedeuten würde, als „Beigemüse“ auch den Nextgen Roadster zu enthüllen, so wäre ich vermutlich morgens aufgestanden. Jetzt aber zum Eingemachten:

Performance

Gerade was die ausgezeichneten Leistungswerte angeht, wird Tesla Semi direkt mit einem LKW vergleichen, der mittels Verbrennungsmotor und Diesel betrieben wird. Der Tesla Truck soll somit ohne Anhänger innert 5 Sekunden auf ca. 100km/h beschleunigen können, dies entspricht fast einem heutigen Model X. Mit Anhänger (voll beladen entspricht 40 Tonnen) sollen 20 Sekunden möglich sein, im Vergleich dazu benötigt der Diesel in der Regel 15 Sekunden, respektive ungefähr eine volle Minute im beladenen Zustand.

Beeindruckt bin ich persönlich von der Aussage, dass durch das regenerative Bremssystem (welches auch bereits in allen anderen Tesla Fahrzeugen seinen Einsatz findet) satte 98% der kinetischen Energie wieder in die Batterie eingespiesen werden kann, dadurch sollen die Bremsen kaum abnutzen und eigentlich nicht abnutzen. Die Rekuperation mittels Umkehren der Magnetfelder (der vier unabhängigen Elektromotoren) ermöglicht dadurch eine enorme Bremsleistung. Gleichzeitig wird Energie zurückgewonnen und dies findet bereits statt, wenn der Fuss leicht vom Gaspedal genommen wird. Somit wird auch bei diesem Fahrzeug von Tesla „one-pedal-drive“ ermöglicht. Meines Erachtens trägt dies enorm zu einem entspannten Fahren bei, was als Lastwagenfahrer von grosser Bedeutung sein dürfte.

Driver Experience

Analog zu „User Experience“, was vorallem in der Web-/Appentwicklung die Nutzererfahrung anhand der Bedienung beschreibt, ist beim Tesla Truck auch am Fahrerlebnis geschraubt worden. Das gesamte Design des Fahrzeugs wurde um den Fahrer herum konzipiert und beherbergt einen zentralen Schalensitz. Spontan schiessen mir Bilder eines Raumschiffs und der mittig angeordnete Sitzplatz des Piloten durch den Kopf. Anyway. Elon Musk verriet bereits Monate vor der Enthüllung, dass der Tesla Truck auf demselben Framework wie der Model 3 basieren werde. Dies lässt sich heute durch verschiedene Merkmale nachvollziehen. Die vorne abgerundete Motorhaube sowie die zwei vertikalen Monitore (links und rechts des Fahrers) erinnern klar an den Model 3. Die Antriebsstränge, die auf Höhe der gigantischen Batterie werkeln, sind scheinbar auch an diejenigen des Model 3 angelehnt – wobei man das bisher leider nicht zu Gesicht bekommen hat. Der Innenraum der Fahrerkabine gestaltet sich geräumig und es soll möglich sein, aufrecht darin stehen zu können. Ich freue mich, wenn in 1-2 Jahren erste Videos auftauchen, die etwas mehr Details zeigen. (z.B. Schlafmöglichkeit für den Fahrer? Stauraum?)

Security and Autopilot

Wie zu erwarten war, wurde die Messlatte in Bezug auf Sicherheit enorm hoch angesetzt. Die Batterie wurde verstärkt und soll beim einem heftigen Aufprall „als Schutzschild“ dienen können. Die Windschutzscheibe ist explosionssicher und besteht aus speziellen „Tesla Armor“-Sicherheitsglas. Kameras überwachen das Umfeld des Fahrzeugs und können bei Gefahren, Hindernissen und anderen Fahrzeugen im toten Winkel entsprechende Aktionen auslösen. 

Um das Schleudern (siehe Jackknifing) des Anhängers um die Fahrerkabine zu verhindern, überwachen Sensoren die Stabilität des Trucks. Sobald der Truck ins Schlingern gerät und die Instabilität zunimmt, reagiert das smarte System mit positivem/negativem Drehmoment auf den einzelnen Rädern, während alle Bremsen unabhängig voneinander betätigt werden. 

Wie auch alle anderen Fahrzeuge der Tesla-Flotte wird auch der Truck mit dem erweiterten Autopiloten ausgestattet, nebst diesen Funktionen soll er auch in der Lage sein, in einem Konvoi mit anderen Tesla Semi’s zu fahren.

Auf die Gesamtbetriebskosten, die mindestens 20% niedriger sind als bei einem herkömmlichen Diesel-Truck, möchte ich nicht weiter eingehen. Die Batterie des Tesla Trucks hebelt die Fahrleistung auf 500 Meilen (ca. 800km) und lässt damit viele Mitbewerber, die ihre Lastfahrzeuge vorgestellt haben, weit hinter sich. Im Schnitt wurden die bisher vorgestellten „Alternativen“ von Elektro-Trucks, die in den nächsten Jahren die Strasse erreichen dürften, mit einer Leistung von 200-300 Kilometern versehen. Insgesamt sind die Zahlen also durchaus beeindruckend und lassen (für den aktuellen Stand der Entwicklungen) keine Wünsche offen.

Wer sich im Nachgang noch für einen kleinen Rückblick interessiert und zu guter Letzt vielleicht auch einen Blick auf den neuen Roadster werfen möchte:

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